Leute
Nena – Hagens weltbekannter Musik-Export
Die Hagenerin, die mit Hits wie „99 Luftballons“ auch die internationalen Charts in den USA, Großbritannien und Japan stürmte, erblickte am 24. März 1960 in Hagen als Gabriele Susanne Kerner das Licht der Welt. In 11. Klasse des Gymnasiums brach sie die schulische Ausbildung ab, um stattdessen eine Lehre als Goldschmiedin zu absolvieren. Nach ersten musikalischen Gehversuchen als Schlagzeugerin der Mädchengruppe „Mausis“ rückte sie ab 1977 als Frontfrau der „Stripes“ erstmals ins Rampenlicht. Die New Wave Formation landete 1980 mit dem Song „Ecstasy“ einen ersten, viel beachteten Discotheken-Hit. Doch ungeachtet des Erfolges löste sich die Band 1982 auf.
Nena, die ihren Spitznamen seit dem dritten Lebensjahr trägt, zog es nach West-Berlin, wo sie im Büro des Fotografen und Produzenten Jim Rakete jobbte. Zu ihren Aufgaben gehörte unter anderem, die Fanpost von Spliff, der Band von Nina Hagen, zu bearbeiten. Und der Kontakt zu der populären NDW-Band sollte sich auszahlen. Spliff-Sänger Manfred Praeker und Spliff-Gitarrist Reinhold Heil fanden Gefallen an den Demobändern und den musikalischen Künsten der jungen Hagenerin, die inzwischen eine neue Band unter ihrem Namen gegründet hatte. Gabriele Susanne Kerner produzierte im Spliff-Studio in Moabit mit „Nur geträumt“ und „99 Luftballons“ zwei Singles, die sie binnen kürzester Zeit zu einem der bekanntesten deutschen (und somit auch Hagener) Musikexporte werden ließen.
Der Durchbruch gelang der damals 22-jährigen am 17. August 1982, als sie im schon legendär gewordenen roten Minirock in der Sendung „Musikladen“ von Radio Bremen ihren Song „Nur geträumt“ ins Mikro hauchte. Tags darauf setzte ein schier unglaublicher Run auf die Musikgeschäfte ein. 40.000 Singles ging mit einem Rutsch über die Ladentheken von Flensburg bis Passau. Die Sängerin aus Hagen war in aller Munde. Und schon setzte sie zu einem neuerlichen Höhenflug an: Die zweite Single „99 Luftballons“ übertraf abermals alle Erwartungen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch im heiß umkämpften Musikmarkt der USA katapultierte sich die Scheibe wochenlang auf Platz 1 der Charts.
Das Album wurde zum Millionenseller, Nena zu einem der Aushängeschilder der deutschen Rockmusik. Gabriele Susanne Kerner und ihre Band gaben auf der Überholspur Vollgas. Das Teenie-Magazin „Bravo“ krönte Nena 1982 zur „Sängerin des Jahres“ und in dem Film „Gib Gas, ich will Spaß“ flimmerte die Hagenerin erstmals über die deutschen Kinoleinwände.
Ungeachtet der anhaltenden Erfolge brach die Band 1987 auseinander. Im gleichen Jahr stand Nena für den Film „Der Unsichtbare“ mit Klaus Wennemann und Barbara Rudnik zum zweiten Mal vor der Kamera. Bei den Dreharbeiten für die Komödie lernte sie den Schweizer Schauspieler Benedict Freitag kennen, mit dem sie mehrere Jahr zusammenlebte. Aus dieser Beziehung entstammen auch ihre ersten drei Kinder, der 1988 geborene Sohn Christopher-Daniel und die 1990 geborenen Zwillinge Larissa Maria und Sakias Manuel.
Als ihr Sohn im Alter von nur elf Monaten verstarb, zog sich Nena zunächst einmal aus dem Rampenlicht zurück, um sich dann neu zu erfinden. 1992 endete die Beziehung mit Benedict Freitag und Gabriele Susanne Kerner entdeckte weitere neue Betätigungsfelder: Die Sängerin aus Hagen spielte verschiedene Kinderlieder ein und brachte die LP „Komm lieber Mai“ auf den Markt. Damit erschloss sich die Volmestädterin ein ganz neues Publikum, sorgte quasi für den eigenen Nachwuchs. 1993 meldete sich Nena mit der CD „Bongo-Girl“ endgültig in den deutschen Charts zurück. 1994 unterstrich sie dann ihre Vielseitigkeit, als sie für die ARD das Boulevardmagazin „Metro“ moderierte und 1995 veröffentlichte sie mit „Unser Apfelhaus“ eine zweite Kinder-CD.
Auch privat fand Nena Mitte der 1990er Jahre wieder zu ihrem Lebensglück. Mit dem zwölf Jahre jüngeren Schlagzeuger und Musikproduzenten Philipp Palm, mit dem sie heute in Hamburg lebt, hat Gabriele Susanne Kerner zwei weitere Kinder: Samuel Vincent Madou wurde 1995 geboren, Simeon Joel 1997.
1998 moderierte sie im Auftrag der ARD die Ausscheidung zum „Grand Prix de Eurovision“ und stieg zur Werbe-Ikone auf. Ein Waschmittel-Konzern band die Vorzeige-Mutter in einen Fernseh-Spot ein. Im gleichen Jahr erschien ihre neue CD „Wenn alles richtig ist, stimmt was nich‘ „. Und die Wahl-Hamburgerin startet wieder zu einer großen Tournee durch Deutschlands Konzerthallen. Gemeinsam mit der Band „Pur“ begeisterte sie bei elf Auftritten nicht weniger als 500.000 Zuschauer. 1998 gastiert sie auch zum vorerst letzten Mal in ihrer Geburtsstadt Hagen. Nach einem Empfang im Rathaus durch den damaligen Oberbürgermeister Dietmar Thieser und dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt griff sie beim Abschiedskonzert von Extrabreit in der prall gefüllten Berlet-Halle zum Mikro.
1999 folgte eine eigene Tournee, in deren Verlauf sie rund 200.000 Fans in ihren Bann zog. Als Nena dann im Jahre 2002 gemeinsam mit dem Komponisten und ehemaliger Keyboarder ihrer Band, Uwe Fahrenkrog-Petersen, neue Versionen der alten Hits einspielten, setzte die wohl bekannteste Tochter Hagens zu neuen musikalischen Höhenflügen an. Mit der Single „Liebe ist“, die auch als Soundtrack für die Telenovella „Verliebt in Berlin“ diente, stürmte Nena im Jahre 2005 abermals über Wochen auf Platz 1 der deutschen Charts und die Doppel-CD „Willst du mit mir gehen“ landete auf Platz 2 der Album-Charts. Mit einem 20-minütigen Auftritt anlässlich der Eröffnung der World Games 2005 in Duisburg flimmerte sie weltweit über die Fernsehbildschirme und im Oktober 2005 präsentierte Gabriele Susanne Kerner pünktlich zur Frankfurter Buchmesse ihre gemeinsam mit Claudia Thesenfitz verfasste Autobiografie „Willst du mit mir gehen“, die es zwischenzeitlich sogar auf Platz 3 der deutschen Bestsellerliste brachte.
Keine Frage, auch nach mehr als einem Vierteljahrhundert im Rampenlicht und auf den deutschen Konzertbühnen ist die Rockröhre aus Hagen noch lange nicht müde. Zugegeben, Nena ist älter, ist reifer geworden. Die Massen begeistert sie aber heute noch genau so wie am 17. August 1982 im Bremer Musikladen – wohl auch weil Hagens bekanntester Musikexporte ungemein vielseitig ist und sich immer wieder neu erfindet.
Text: Karsten-Thilo Raab
Foto: